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etwas "nachtragen"

Hallo zusammen,

... neulich tat sich die Welt auf und spuckte ein Phantom aus vergangenen, längst vergangenen Zeiten vor meine Füße. Plumps stand's da, mit großen Augen und voller Erwartung auf meine Wiedersehensfreude.

Es ist ja gar nicht so, dass ich mich nicht freue frühere Wegbegleiter zu treffen, man sich mehr oder weniger tief darüber austauscht wie es einem ergangen ist. Und auch wenn man bemerkt, dass man keine Gemeinsamkeiten mehr teilt, dann ist das genauso ok wie wenn man feststellt, dass man über die Zeit hinweg doch mehr gemein hat als man sich in Erinnerung hatte und die Beziehung nun auf einem anderen Level neu belebt.
Beides sind für mich schöne Ergebnisse, weil sie rund sind.

Soweit so gut, das Problem an dieser Sache ist, für mich gibt es keinerlei Notwendigkeit, oder gar ein Bedürfnis nach einem "Was bisher geschah" und das wiederum löst in mir quasi eine Gedanken-Kettenreaktion aus. Tatsächlich ist da auch Freude über das Lebenszeichen und kurz hege ich auch den Wunsch sich zu begegnen, stelle es mir vor und denke an die Zeit zurück, an das viele, was ich von dieser Person gelernt hab, kann über deren Eigenheiten und über das Erlebte schmunzeln. Für einen kurzen Moment fühlt es sich gut an und dann wandern die Gedanken weiter, entlang der Vergangenheit und mein Schmunzeln zerläuft mir im Gesicht. (gut, dass ich so gar keinen Sinn fürs Dramatische hab :-)

Ich bin irritiert ob der ambivalenten Emotionen, der Freude einerseits und der wiederbelebten Enttäuschung auf der anderen Seite und ich fühle mich dabei mehr und mehr wie ein schmollendes Kind, dass bockig und nachtragend ist, aber vor allem fühl ich mich (wieder) verletzt. Nach all der Zeit tut die Erinnerung noch immer weh, lässt mich schrumpfen und verblassen, das ärgert mich und dann ärgere ich mich über die Person und über deren vermeintliche Gedankenlosigkeit.

Meine Entscheidung, wie ich damit umgehen möchte, verschiebe ich, bis sich die Irritation gelegt hat.
Gedanklich bleibe ich aber bei dem Wort "nachtragend" hängen.

Wie geht's euch mit sowas, kennt ihr solche Situationen und wie definiert ihr "nachtragend sein"?
Ist das eine berechtigte Empfindung oder nur eine andere Formulierung für "stell dich nicht so an"?

Ich freue mich auf eure Ansichten und Gedanken und wünsche euch einen guten Start in die neue Woche ☀️
Liebe Grüße Simplicity

Kommentare

  • danke, für das interessante thema, @simplicity :)
    bei deinen zeilen kann ich sehr gut mitfühlen. ich fürchte sogar, ich würde mich selbst als sehr nachtragend beschreiben.
    dein beitrag war für mich ein willkommener anlass, da mal etwas genauer hinzuschauen. ähnlich, wie du auch schon beschrieben hast, konzentriert sich für mich das "nachtragend" sein, denke ich, v.a. um eine zentrale sache: ich wurde verletzt. und aus welchem grund auch immer, bin ich darüber noch nicht hinweg. nein, ich trage das noch nach. bewusst oder unbewusst (meist sehr bewusst :p).
    ich denke, ich würde es wie eine noch offene rechnung beschreiben - nein, das trifft es nicht ganz. vielleicht eher: eine offene wunde. etwas, das noch nicht genügend aufmerksamkeit und fürsorge bekommen hat, um jetzt in den heilungsprozess überzugehen. es wurde noch nicht(s) ge(oder eher: be-)reinigt. da ist noch zu viel, das schmerzt und die wunde eher eitern lässt, als dass der prozess des "gutseinlassens" jetzt schon anfangen könnte.

    .
    ich denke, ich bin oft (sehr) nachtragend und gleichzeitig sind mir beispiele eingefallen, bei denen ich es gar nicht bin/war.
    ein entscheidender unterschied scheint mir: ich bin nachtragend, wenn ich das gefühl habe, der/die andere macht es sich zu leicht; geht (zu) leichtfertig über meine verletzung hinweg. hat er/sie es überhaupt mitbekommen? gab es eine entschuldigung? war die ernst gemeint oder eher dahergeredet?
    die situationen, in denen ich - trotz verletzung - gar nicht nachtragend war, waren bei mir wohl dadurch gekennzeichnet, dass es ein gemeinsames bereinigen gab. eine entschuldigung. ein wirkliches "es tut mir leid". etwas, das mir das gefühl gibt, dass ich (und meine verletzlichkeit) gesehen wurde. und ernst genommen wurde! und nicht einfach nur wieder zum normalprogramm übergegangen wurde; vielleicht sogar ohne jegliche erwähnung.
    deine eingangsworte

    mit großen Augen und voller Erwartung auf meine Wiedersehensfreude

    klingen für mich ein bisschen nach letzterem: "für mich passt es noch nicht, warum machst du es dir so einfach?". aber natürlich kann ich da auch vollkommen auf der falschen spur sein!

    .
    deine frage

    Ist das eine berechtigte Empfindung oder nur eine andere Formulierung für "stell dich nicht so an"?

    finde ich sehr spannend. tatsächlich habe ich es für mich selbst lange als etwas negatives gesehen, nachtragend zu sein. eher in der schublade zickig, bockig, kindisch, unreif. jetzt gerade habe ich da einen ganz anderen blick darauf: es ist ein ganz wichtiges zeichen, um zu verstehen, dass da noch etwas nicht okay ist. ich brauche da noch etwas, um mich wieder gut fühlen zu können. das nachtragend sein ist die warnlampe fürs verletzt worden sein, das zu wenig aufmerksamkeit und heilung bekommen hat.
    somit würde ich es alles andere als ein "stell dich nicht so an" betiteln. eher ein "danke fürs erinnern" ;)
    es hat dich verletzt. vollkommen egal, was andere in dieser situation gedacht oder gefühlt hätten, für dich war es nicht okay. und das ist absolut und mehr als legitim, denn du bist die einzige person, die in deinen schuhen steckt und beurteilen kann, was für dich welche bedeutung hat.
    wenn es dir nicht gut getan hat, darfst du das ernst nehmen (- manch einer würde vielleicht sogar sagen: dann solltest du das ernst nehmen, sei dir das wert <3).
    mag sein, dass dein gegenüber eine grenze übertreten hat. mag sein, dass er/sie einfach nur - als quasi unbeteiligter dritter - vollkommen unbewusst etwas getriggert hat, das eigentlich ein sehr persönliches thema von dir ist und vielleicht ganz woanders hingehört (und überhaupt nichts mit der trigger-person zu tun hat).
    so oder so empfinde ich es für mich als hilfreich, da mal einen blick drauf zu werfen und mich zu fragen: möchte ich da vielleicht noch was aufräumen? mit oder ohne dieser anderen person? und was würde helfen, dass es sich weniger verletzt anfühlt? welches pflaster könnte ein bisschen linderung bieten und dabei helfen, dass die eben doch noch nicht geschlossene wunde jetzt doch noch heilen darf...?
    nicht zuletzt, wenn du beschreibst, dass es durchaus auch schöne erinnerungen und positive gefühle gab. vielleicht sind sie es wert, in einen dialog zu gehen. und wenn nicht: auch okay! :blush:

  • Hallo ihr Beiden!
    Auch ich finde das Thema interessant! Danke fürs eröffnen @simplicity

    Wenn ich mal so drüber nachdenke, hat es für mich ebenfalls mit der Art der Verletzung zu tun, ob ich mich weiterhin mit der Situation befasse, oder wieder zur Tagesordnung übergehen kann.

    Zitat @Raya:

    ein entscheidender unterschied scheint mir: ich bin nachtragend, wenn ich das gefühl habe, der/die andere macht es sich zu leicht; geht (zu) leichtfertig über meine verletzung hinweg. hat er/sie es überhaupt mitbekommen? gab es eine entschuldigung? war die ernst gemeint oder eher dahergeredet?

    Ja, genau so empfinde ich es auch. Und ich möchte noch ergänzen:
    Es ist schön, wenn sich jemand entschuldigen kann. Noch viel besser, wenn ich eine Verhaltensänderung erkennen kann, die Rückschlüsse darauf zuläßt, dass ich nicht immer wieder Verletzungen von dem betreffenden Menschen zu erwarten habe. Denn manchmal ist für den geduldigsten Menschen auch irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht.

    Gemeinsam an einer Lösung interessiert sein. Das finde ich einen guten Ansatz! Da kann ich mir persönlich jede Art von Groll und etwas nachtragen sparen :)

    Es hilft natürlich wie immer, den Menschen gegenüber grundsätzlich wohlgesonnen zu sein. Niemand ist perfekt und ich selbst reagiere auch nicht immer so, wie man es sich von mir wünschen würde.

    Mit den Menschen, die mir am nächsten stehen, ist mir inzwischen sehr daran gelegen, nicht grollend ins Bett zu gehen - also möglichst zeitnah eine Klärung herbeizuführen.

  • Hallo @Raya und @Enjoythesilence
    danke für eure Antworten und Einblicke <3

    … und wenn nicht: auch okay!

    da musste ich schmunzeln und gleich an die Drinnies (Podcast) denken, das ist immer so deren Einstiegsformel:
    „Ich hoffe, euch geht es gut und wenn nicht, auch okay“ :)

    ich fürchte sogar, ich würde mich selbst als sehr nachtragend beschreiben.

    Herrlich ehrlich :smiley:

    Ich halte mich eigentlich für wenig bis gar nicht nachtragend oder wie jemand aus meiner Familie mal „verächtlich“ meinte: „ich hätte wohl für alles und jeden Verständnis“. Ja, das mag schon sein, aber halt nicht bis in letzter Konsequenz bzw. muss und möchte ich nicht alles mittragen.

    „Nachtragen“ oder generell das Wort tragen bringe ich gar nicht nur mit Schmerz, Enttäuschung oder Verletzung in Verbindung bringen. Tragen is ja bekanntlich ein Tunwort (klingt so viel schöner als Verb) und man kann ja auch jemanden seine Liebe hinterhertragen (ok auch eher unschön :-P) oder jemanden etwas antragen, jemand oder etwas im Herzen tragen oder etwas mit- oder eben nicht mittragen. Aber egal, ob bewusst oder unbewusst, tragen tut man, das geht nicht mit den Händen in den Taschen, dagegen liegt die Entscheidung (bewusst oder unbewusst) ganz allein bei mir, ob ich das tun will oder nicht.

    Jedenfalls nachdem ich mich nun einige Zeit mit diesen Gedanken getragen habe und die Zeit Revue passieren ließ, kann ich für mich, zumindest was diese Situation angeht, festhalten, dass dieses auf geploppte Gefühl der Verletzung keine Wundheilungsstörung oder ein Wachstumsschmerz ist, sondern „einfach“ eine schmerzhafte Erinnerung, die ich aushalten kann.

    Gemeinsam an einer Lösung interessiert sein. Das finde ich einen guten Ansatz!

    Da gehe ich absolut mit, ein klärendes Gespräch, eine gemeinsame Bearbeitung, whatever, hätten mir damals sehr geholfen und mir all die möglichen ursächlichen Szenarien, die ich mir erdacht habe und die damit einhergehende Unsicherheit und Vorsicht erspart. Heute ist es ok, ich hege keinen Groll und auch wenn ich „vergeben“ (sofern es was zu vergeben gab) habe, so bedeutet es nicht, dass ich es vergessen „muss“ oder will, ebenso wenig wie die guten Erinnerungen. Beides darf nebeneinanderstehen.

    Niemand ist perfekt und ich selbst reagiere auch nicht immer so, wie man es sich von mir wünschen würde.

    Da bin ich ebenfalls ganz bei dir!
    "Wo Menschen sind, da 'menschelt' es" wusste schon Eugen Roth und auch wenn es manchmal eine große Überwindung darstellt, kann es immer nur ein lohnendes Unterfangen sein, sich miteinander auseinanderzusetzen.

  • Und ich frage mich gerade, was es einem bringt, wenn man jemand anderem etwas nachträgt? Im Grunde gehr das nur unnötig aufs eigene Lebenszeitkonto, wenn man die Geschichte immer und wieder durchkaut. Oder ist das dann grübeln? ;)

    Ich habe in meiner Vergangeneheit ein paar unschöne Dinge erlebt, die ich auf ewig jemandem nachtragen würde, jedoch habe ich die Variante gewählt, den Kontakt abzubrechen - weil es immer wieder Gelegeneheit zum nachtragen gab. Das war mir dann irgendwann zu mühsam. Jetzt brauche ich nichts mehr nachtragen :)

    Eine Verwandte pflegt den Kontakt zu der betreffenden Person noch und wenn ich ungefragt dann und wann ein paar Anekdoten erzählt bekomme, wird meine Entscheidung mir immer wieder bestätigt, das für mich Richtige getan zu haben. Zu viel Drama tut mir nicht gut. Und ja, es war eben auch keine Besserung oder ein gemeinsames dran wachsen erkennbar.

    In einer anderen Situation habe ich vor den Feiertagen die Erfahrung gemacht, dass ich Vergangenes nicht immer wieder hochholen sollte. Sondern im Grunde mit der Sichtweise ganz gut beraten bin, jeden Tag als einen neuen Tag, frei von Fehlern anzusehen.

  • Und ich frage mich gerade, was es einem bringt, wenn man jemand anderem etwas nachträgt?

    wenn man nicht gerade hauptberuflich ein Diener ist, gar nix :-D

    was die zerkauten Geschichten angeht, würde ich sagen, es kommt darauf an was ich darin zu verstehen versuche... nein, ich glaub auch, dass das dann Grübeln und ein anderes Thema ist ;-)

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